Ein halbes Anglerleben - Fortsetzung v. 16.12.06

  • Herr Ertler war mir gegenüber ein gütiger Lehrer und großväterlicher Freund. An diesem ersten Nachmittag an der Würm lernte ich viel. Er zeigte mir große Barben, die am Grund der Würm in der Hauptströmmung standen. Er fischte vor meinen Augen auf einen kapitalen Hecht im Mühlkanal und erklärte mir die Standplätze der Forellen in der Ausleitungsstrecke. Gegen Abend führte er mich noch einmal auf die Brücke über die Hauptströmmung der Würm. Dort beköderte er seine Angel mit einem kleinen, halben Semmelknödel, versenkte den Köder unter der Brücke und drückte mir die Rute in die Hand. Meiner Ferienangel traute er offensichtlich nicht allzuviel zu. Für mich war der ganze Nachmittag mit seiner Fülle an neuen Eindrücken ein einziges Sehen und Staunen gewesen. Wegen dieser Reizüberflutung und der starken Strömung unter der Brücke bemerkte ich es auch nicht selbst, als es an „meiner“ Angel ruckte. Aber der aufmerksame Herr Ertler hatte es gesehen und führte mir die Hand zum Anhieb. Das war es, das hatte also bisher gefehlt. Auch beim nachfolgenden Drill und der Landung des schweren Fisches gab mir Herr Ertler die entscheidende Hilfestellung, trotzdem bezeichnete er die vierpfündige Lachsforelle als meine Beute. Mein erster Fisch! Eine große Forelle aus der Würm! Beute zum mit nach hause nehmen. Meine Freude war riesengroß.


    Die Forelle wurde von meinen Eltern gebührend gewürdigt, von meiner Mutter liebevoll zubereitet und gemeinsam verspeist. Nur mit der Bezeichnung „Lachsforelle“ konnte ich damals noch nicht viel anfangen. In meinen Lehrbüchern stand nichts von einer Lachsforelle. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass es eine Kreuzung zwischen Lachs und Meerforelle in der Würm geben konnte, wo doch die Würm über die Donau ins schwarze Meer fließt und Lachs und Meerforelle nur in Flüssen vorkamen, die über den Rhein in den Atlantik mündeten. Erst später klärte mich Herr Ertler darüber auf, dass eine Lachsforelle bei uns eine Seeforelle ist. Meine Forelle stammte daher wohl aus dem nahen Starnbergersee, aus dem ich erst mehr als 25 Jahre später wieder eine Seeforelle als Beute nach hause tragen durfte.


    Im Jahr 1969 durfte ich wieder mit Herrn Ertler an der Würm angeln. Damals begann ich ein Fangbuch zu führen. Darin vermerkte ich fein säuberlich alle anglerischen Beobachtungen, eventuelle Fangerfolge, das verwendete Gerät, meist auch die vorherrschenden Wetterbedingungen und natürlich stets das Datum und den Ort meines Tuns. Die Anregung hierzu hatte ich meinen Angelbüchern entnommen. Ich folgte ihr aber gerne, weil ich schon damals glaubte, meinen Aufzeichnungen später eine gewisse Gesetzmäßigkeit des Angelerfolges entnehmen zu können. Von dieser Hoffnung eingenommen, führte ich in meinem weiteren Anglerleben auch Buch über alle möglichen, vermeintlich den Fangerfolg beeinflussenden Faktoren. Angeregt durch entsprechende Fachartikel malte ich Kurven für den zu- und wieder abnehmenden Mond auf ein Blatt Papier und versuchte, den wechselnden Fangerfolg ebenfalls in Form von Kurven in das selbe Diagramm ein zu tragen. Ein andermal beschäftigte ich mich mit dem Einfluss des Luftdruckes und schrieb wochenlang täglich den Stand des Barometers auf. Immer wieder erlebte ich dann natürlich die Enttäuschung, dass trotz vermeintlich günstiger Rahmenbedingungen der erwartete Erfolg ausblieb. Meine ganze Beschäftigung mit der Erforschung derjenigen Faktoren, die letztlich bewirken, dass man Fische fängt, gleicht noch heute der Wissenschaft, die mit langen Antennen in den Weltraum hinein lauscht, um Signale anderer Lebewesen zu empfangen. Mühsam, aber immer noch besser, als die Wissenschaft, die in aufwändigen Testreihen feststellt, dass die Körpertemperatur von Thunfischen sinkt, wenn man sie mit tiefgekühlten Makrelen füttert. „Das hätte ich dir gleich sagen können“, würde meine Inge in solch einem Fall sagen.


    (wird fortgesetzt)

    und wenn Du glaubst, es beißt nie mehr
    dann kommt von irgendwo ein Fisch daher

  • "Klaus" schrieb:

    Herr Ertler war mir gegenüber ein gütiger Lehrer und großväterlicher Freund.


    Du kannst dich glücklich schätzen einen solchen Freund gehabt zu haben!!!
    Was wäre nur aus Dir geworden, hätte er dir nicht den Anhieb gezeigt?? :mrgreen: :mrgreen:



    Schade dass die Würm heute fest in Vereinshand ist :( . Wie oft bin ich da schon entlang spaziert und habe nach den Fischen gesehen.......



    :!: Ich hoffe sehr die Fortsetzung läßt nicht zu lange auf sich warten :!:

    A mit Huad fangt ma Fisch! Bääärig!

  • Hallo lieber Klaus,


    Du schreibst so schön, so nett, da wird das Lesen ja fast zur Sucht. Bitte um schnelle Fortsetzung, zumindest noch eine Folge vor Weihnachten....versprochen?


    Herzliche Grüße vom Rhein an die Isar


    berndi