Ein halbes Anglerleben - Fortsetzung v. 9.12.06

  • Rechts davon, mit unmittelbarem Anschluss an das Haus, bildete eine dichte Hecke eine undurchsichtige Mauer zum Nachbargrundstück. Links vom Haus befand sich eine vielleicht 200 Quadratmeter große Liegewiese. Diese deutlich gepflegtere und grünere Wiese, als das Stück Land oben, auf dem die Autos parkten, war nach hinten durch eine Mauer aus groben Steinen begrenzt, die zugleich den Hang abstützte. Zum linken Nachbargrundstück hin, auf dem nebenbei bemerkt, die Pension angesiedelt war, in der wir, meine Eltern und ich logierten, war die Steinmauer im rechten Winkel bis zum Wasser vorgezogen. Die Mauer war aus ganz hellem Stein gemacht und hatte in der Mitte ein großes Fensterloch. Wilder Wein und Efeu hingen jedoch wie ein luftiger, hellgrüner Vorhang vor dieser Öffnung. Nach vorne war diese Wiese nur durch den See begrenzt.
    Das Häuschen selbst war wohl aus Holz gebaut, ruhte aber auf einem Fundament aus den gleichen groben Steinen, aus denen die Stützmauer für den Abhang gemacht war. Hier waren die Steine aber sauber mit Zement verfugt und glatter behauen. Die Außenwände des Hauses waren dunkelbraun, manchmal schien es, als seien die dicken Holzbohlen mit Teer bestrichen worden, wenn die Sonne darauf knallte und sie dann klebrig wurden und seltsam rochen. Das Gebäude war nicht hoch, nur so hoch wie die Zimmer waren, darauf saß ein mit ebenfalls dunklen Holzschindeln gedecktes, leicht geneigtes Dach. Keller gab es keinen. Man hatte zwei verschiedene Möglichkeiten, ins Haus zu gelangen. Die eine Möglichkeit war, die Eingangstüre zu benutzen. Diese befand sich auf der Hangseite am Ende eines schmalen Durchganges zwischen der Stützwand und der Holzwand des Hauses. Die andere, viel spannendere war an der Seeseite des Hauses. Dort führten drei oder vier Stufen am Fundament zunächst herunter und dann fünf oder sechs Stufen einer hölzernen Treppe wieder hinauf. So gelangte man direkt auf die überdachte Veranda. Die Absenkung mag verschiedene Gründe gehabt haben. Zum einen war das auch die Stelle, an der die Erwachsenen ins Wasser gingen, wenn sie sich „abfrischen“ wollten. Das restliche Ufer entlang der Liegewiese war nämlich mit Steinen und Beton befestigt. Andererseits befand sich genau über der Absenkung das Fenster des einzigen Schlafraumes. Nun war das aber wohl allen, wechselnden Bewohnern zu unbequem treppab und treppauf zu laufen und dabei noch nasse Füße zu bekommen, weshalb einer auf die Idee gekommen war, ein langes Brett über die Furt zu legen. Diese Brett war jedoch tückisch. Vom Wasser bei Wellengang nass gespritzt und obendrein noch schief, weil die gemauerten Stufen nicht auf dem selben Niveau lagen, wie die hölzernen Stufen, erschien es mir als ziemlich gefährlich, diesen Weg zu wählen. Dennoch übte dieser Weg ins Haus eine große Faszination auf mich aus. In dem flachen Wasser unter dem Brett tummelten sich meist kleine Lauben und Rotaugen. Oft sogar folgte ein kleiner Aitel den Brutfischen, die von der leichten Dünung bis an die Hausmauer heran geschwemmt wurden. Außerdem stand die Veranda auf einem Fundament, das zur Treppenseite hin offen war. Je nach Pegelstand des Sees leckte das Wasser weit unter die Veranda hinein. Diese Höhle war offensichtlich ebenfalls ein Anziehungspunkt für eine Vielzahl kleiner Fische.


    Um die Beschreibung dieses „Paradieses“ zu vervollständigen, muss ich noch erwähnen, dass die Veranda nicht nur überdacht, sondern auf der Wetterseite, also zum Nachbargrundstück hin geschlossen und geschützt war. Auf dieser Veranda konnten wir sogar bei Regen Kanaster spielen, wovon wir in diesem Jahr, also 1968 ausgiebig Gebrauch machten, weil es ein sehr verregneter Sommer war. „Wir“ ist nicht ganz richtig, weil ich ja in diesem Jahr mit dem „Angelvirus“ infiziert wurde. Vor der Veranda stand dann noch ein Steg im Wasser, der das ganze Ensemble komplett machte.


    Ein solches Haus am See ist heute mein Traum. Ich bin aber so ehrlich zu zu geben, dass mir als Kind auch einiges gar nicht gefallen hat. Dies machte sich vor allem beim Frühstück negativ bemerkbar. Wie ich schon erwähnte, wohnten meine Eltern mit mir in der benachbarten Pension einer gewissen Frau Gärtner. Es war jedoch üblich, dass ich nicht mit meinen Eltern, sondern zusammen mit Birgit und deren Eltern auf deren Veranda frühstückte. Damals bestand meine erste Mahlzeit immer aus süßen Sachen. „Kaba“ war obligatorisch, dazu meist Nutella-Semmel, Honig oder Marmelade, manchmal auch „Bircher-Müsli“, also Haferflocken mit Milch und frischen Früchten. Meine Vorliebe für solche Leckereien musste ich leider mit den zahlreich vorhandenen Wespen teilen. Aber auch Wurst und Schinken der Erwachsenen zogen diese Viecher magisch an. Obwohl ich -glaube ich - nur einmal gestochen wurde, hatte ich doch immer wieder gehörigen Stress mit den Wespen.


    So wenig ich mit den Insekten anfangen konnte, so sehr lockten mich die Fische. Schon ein Jahr zuvor hatte ich kleine Brutfische mit einer Plastiktüte eingefangen und in einem Marmeladenglas mit nach hause gebracht. Die damalige Fahrt über den Katschbergpass war nicht nur für mich eine Tortur gewesen, weil mir furchtbar schlecht wurde, sondern leider auch für die kleinen Gefangenen, weil ihnen wohl frisches Wasser fehlte. Die wenigen Überlebenden hatte ich dann gleich nach der Ankunft in den kleinen Bach hinter dem Haus meiner Eltern, den Scharinenbach geschüttet.


    In diesem Jahr, 1968 sprach mein „Onkel Paul“ dann eines Tages den folgenschweren Satz aus, der mein ganzes bisheriges Leben veränderte und ihm bis heute eine eindeutige Prägung gegeben hat. Ein Satz, so leicht hin gesagt und spontan formuliert, dass kein Mensch auf die Idee käme, ihm eine solch tiefschürfende Wirkung zu zu trauen. Und doch hat dieser eine Satz mehr Wirkung erzielt, als - zum Beispiel - dreizehn Jahre Schulbildung. Ein Schlüsselsatz, wie ich es einmal nennen möchte. Es waren immer solche Schlüsselsätze, leicht hin gesagt und spontan formuliert, die mein Leben entscheidend veränderten und lenkten. Eingeweihte wissen, was ich meine, wenn ich die ersten an mich gerichteten Worte meiner lieben Inge zitiere: „Hast du mal Feuer?“ Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Doch ähnlich lapidar äußerte sich mein Onkel Paul, als er meine Eltern anschnaubte: „Kauft doch dem Buben endlich eine Angel!“ Ich weiß nicht, ob er Mitleid mit mir hatte, weil ich noch immer versuchte, im Wasser watend mit einer Plastiktüte Fische zu fangen, oder ob es ihm einfach naheliegen erschien, einen Jungen mit einer Angel aus zu statten, genauso, wie damals wohl viele dachten, Pfeil und Bogen oder Schießgewehr seien eben das geeignete Spielzeug für einen Jungen. Jedenfalls gab er damit die Initialzündung für ein, mein Anglerleben.


    Meine erste Angelausrüstung bestand aus einer sog. Ferienangel der Firma Noris-Sheakespeare….. (wird fortgesetzt).


    und wenn Du glaubst, es beißt nie mehr
    dann kommt von irgendwo ein Fisch daher

  • Servus Klaus
    endlich hatte ich die Zeit mir deine Geschichte durchzulesen. Es ist einfach genial das zu lesen.
    Es erinnert mich an die Zeit vor fast 30 Jahren als ich meine zum Teil ersten anglerischen "Gehversuche" am Wörthersee in Kärnten machte, beim Urlaub mit meinen Großeltern. :-D :-D
    Köder war ein Fertigteig aus der Tube :oops: . Wenn ich mich recht erinnere waren es Rotaugen die da an Land durften.

    A mit Huad fangt ma Fisch! Bääärig!

  • Hallo Karl,
    das ist ja Wahnsinn, bei mir wars dann später als ich endlich Fische fing (warts ab, das kommt noch alles :wink: !) auch dieser Tubenteig. Das Ding hieß "Plötzol" und war von DAM, das gabs in mehreren Geschmacksrichtungen, ich fand den weißen Teig am besten. Ich glaub, der roch nach Anis, bin mir aber nicht mehr ganz sicher. War für Rotaugen, Lauben und sogar Schleien genial.


    Herzliche Grüße
    Klaus

    und wenn Du glaubst, es beißt nie mehr
    dann kommt von irgendwo ein Fisch daher

  • "Klaus" schrieb:

    ... Das Ding hieß "Plötzol" und war von DAM, das gabs in mehreren Geschmacksrichtungen, ich fand den weißen Teig am besten. ...

    Der gelbe war genial :-D , Fanggarantie für Köderfische.

    Fishing isn't a sport, it's a passion.


    Gruß Michael

  • Je genau, Plötzol hieß das Zeug. An die Farbe kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber rot glaub ich wars.
    Gibts das heute noch??? Wenn es damals zum Köderfischfang diente müßte es das ja immer noch tun. :wink:



    :!: Ich warte gespannt auf die Fortsetzung!!!!! :!:

    A mit Huad fangt ma Fisch! Bääärig!