Teil 3: Betrachtungen zur Bewirtschaftung der Ruhrtalsperren

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  • 3. und letzter Teil:


    Besatzmanagement und Eindrücke aus der Fischzuchtanlage


    In dem Fischereigehöft am Möhnesee werden Seesaiblinge, Seeforellen, Blaufelchen, Große Maränen, Aalrutten und Hechte ausgebrütet und auf Besatzgröße gezogen. Da die Brut- und Aufzuchtbecken begrenzt sind, die Laichzeiten aber sehr eng getaktet aufeinander folgen, erfordert dies im wahrsten Sinne des Wortes ein exaktes Management; dies vor allem bei den Arten, die dieselben Brut- und Aufzuchtbecken benötigen. Durch die Möglichkeit Erbrütungszeiten und Schlupftermine über die Wassertemperaturen zu beeinflussen, kann die Aufzucht der genannten Arten im Jahresgang gut aufeinander abgestimmt und die Zuchtanlage optimal ausgelastet werden.


    In 31 Zuchtbecken sowie Fließkanal, Brutrinnen, Brutschränken und 20 Zugergläsern wurden so in der letzten Saison


    4,4 Mio Hechte
    442.000 Seeforellen
    88.000 Seesaiblinge
    1,8 Mio Blaufelchen
    1,2 Mio Große Maränen


    erbrütet und auf Besatzgröße gezogen.



    Zugergläser mit Hechteiern, Bruthaus


    Da die Fischbrut generell sehr empfindlich ist, muß das Wasser auf verschiedene Arten aufbereitet werden. Wie schon erwähnt wird Wasser aus der Tiefe der Möhnetalsperre dazu in die Anlage gepumpt. Das Wasser wird erst über eine Filteranlage von Schwebstoffen und Verunreinigungen gereinigt, da diese vor allem bei der Seeforellen und der Saiblingsbrut zu Reizungen der Kiemen führen kann. Da das Tiefenwasser relativ Sauerstoffarm ist, besitzt das Bruthaus eine Sauerstoffanlage und einen Sauerstofftank mit einem Fassungsvermögen von 120.000 Litern, mit der das Wasser mit ca. einem Liter Sauerstoff pro Stunde versorgt wird.
    Ausserdem findet eine Entkeimung des Wassers durch UV-Leuchtstoffröhren statt. Hierbei werden Bakterien, Pilzsporen und Algen abgetötet, was es ermöglicht, bei der Aufzucht gänzlich auf Medikamente zu verzichten.



    Die Kleine Maräne


    An der Biggetalsperre gibt es einen enormen Bestand der Kleinen Maräne. Wenn die Fische im Herbst sich in der Waldenburger Bucht vor der Staumauer sammeln, bilden sie einen dicht gepackten Schwarm in ca. 25-35 Metern Tiefe, mit einem Volumen von ca. 700 m x 280 m x 10 m. Nimmt der Bestand überhand, werden Teile mit einem Schleppnetz abgefischt. Leider lässt sich die Kleine Maräne in dieser Zeit so gut wie gar nicht mit der Angel fangen, und auch das restliche Jahr über stellt sich dies sehr schwierig dar, da sie im Gegensatz zu größeren Coregonenarten tagsüber in sehr kompakten Schwärmen ziehen. Umso größer die Freude wenn abgefischt wird, denn für die Köderfischvorräte der Angler fällt genügend aus dem Fang ab.



    Schleppnetz, gejagte Maränen, gefangene Maränen


    Die Schwierigkeiten der Angelei in den Talsperren


    Der gute Futterfischbestand ist eine hervorragende Voraussetzung für die Raubfische, macht es den Anglern aber nicht unbedingt leicht. Dort wo die Kleine Maräne in großer Zahl vorkommt, sind die Räuber generell Freiwasserräuber, und folgen den Maränen, meist auch in großer Tiefe. Im Gegensatz zu natürlichen Gewässern gibt es wenig typischen Strukturen, die als „klassische“ Raubfischplätze dienen. Die Fische verändern also nicht nur wasserstandsbedingt laufend ihre Position im See, sondern auch noch futterfischbedingt. Die Seeforelle, die bekannt dafür ist, daß sie bei einem besonders häufigen Futterangebot sehr selektiv wird (z.B. an Gewässern mit ausgeprägtem Maifliegenschlupf) ist dies auch ganz besonders dort, wo die Kleine Maräne in großen Mengen vorkommt. Der häufigste Mageninhalt mit der Angel gefangener Seeforellen ist daher am Biggesee die Kleine Maräne. Das große Futterangebot und die sehr gute Konstitution der Fische lässt auch vermuten, daß die Raubfische die meiste Zeit mit „verdauen“ verbringen, und nur relativ kurze schnelle und erfolgreiche Fressphasen haben. Anders ist es – was den Hecht betrifft – an den Vorbecken, der Listertalsperre mit nur geringen Wasserstandsschwankungen oder dem Möhnesee mit ausgeprägten Flachwasserzonen. Dort lassen sich mit einiger Ortskenntnis Hechte, Zander und Barsche leichter finden; die Chance auf den wirklich Kapitalen hat man aber dann doch eher im Freiwasser der großen Talsperren.



    hecht 1,40 m; Seeforelle 20 Pfund; Boardie Christian "Kayaner" mit 48cm Barsch



    Epilog


    Bei den Recherchen habe ich viel dazugelernt. Beeindruckender fast als all die Erkenntnisse ist, was wir noch nicht wissen, und wieviel in der Fischereiwirtschaft auch auf Instinkt und „Trial and Error“ beruht. Dies ist richtig und gut, denn nur wer wagt, gewinnt, vorausgesetzt er berücksichtigt das bereits bestehende Wissen. Beeindruckend war, wie eng der Ruhrverband mit der Wissenschaft zusammenarbeitet, daß bestehende Wissen nutzt und hilft, Wissenslücken zu schliessen. Erschreckend ist, daß dies andernorts eher noch die Ausnahme ist, wobei ich nicht weiss, ob das Problem bei der Henne oder dem Ei, also der Wissenschaft oder den Bewirtschaftungsverantwortlichen liegt. So muß man sich einfach mal folgendes Zitat aus einer wissenschaftlichen Veranstaltung zur Gewässerökologie und Binnenfischerei auf der Zunge zergehen lassen:


    Tatsächlich sind wir nur ansatzweise darüber informiert, welche Renken und Saiblinge hier leben. Aufgrund der chaotischen taxonomischen Verhältnisse können weder eine auf seriösen Daten beruhende Artenzahl benannt, noch der Gefährdungsstatus einzelner Arten eingeschätzt werden. In den meisten Seen wurde und wird der Besatz mit Renken, Saiblingen und Forellen unter rein ökonomischen Gesichtspunkten betrieben. Dabei wurden nicht nur Renken, Saiblinge und Forellen von einem See zum nächsten transportiert, sondern auch Arten aus dem Voralpenraum mit anderen Herkünften, z. B. aus Norddeutschland, gezielt gekreuzt und die Hybriden besetzt. Man müsste erwarten, dass alle autochthonen Bestände durch diesen Besatz zerstört wurden.


    Nimmt man diesen Zustand der „Erkenntnis“ in der Wissenschaft war, wirkt so manche Besatzdiskussion sowohl auf Angler- als auch auf Berufsfischerseite äusserst dilletantisch. Unser Problem ist nicht der maximale Ertrag oder der kapitalste Fisch, sondern die Tatsache, dass wir bei diesem Ziel Bestände vermischen oder vernichten, ohne zu wissen, ob es sich um schützenswerte eigene Arten handelt oder nicht. Andererseits muß man auch die Frage nach dem Heimatgewässer stellen: Diese sind oft durch äussere Eingriffe so verändert, daß es eventuell mehr Sinn macht, die Fischbestände völlig neu anzupassen.


    Ich will aber auch den Hoffnungsfunken der dem Zitat folgt nicht vorenthalten:


    Wie das Beispiel Bodensee allerdings zeigte, ist dies nicht zwangsläufig der Fall. Besatzmaßnahmen sind oft weit weniger wirkungsvoll, als es die Fischereiberechtigten erwarten, was für die einheimische Fischfauna von Vorteil ist. Zwingend erforderlich sind geeignete Untersuchungen, die Fischfauna der Voralpenseen aufzuklären. Gegenwärtig ist unbekannt, wie viele der nativen Arten überlebt haben und ob bzw. welche der besetzten Arten oder Hybriden sich überhaupt etablieren konnten.
    (Jörg Freyhof & Christian Wolter, 3. Stechlin Forum)

    [hr]
    Die Ruhrtalsperren sind schwierige Angelgewässer, und „“mal eben nebenher seinen Fisch“ fängt man dort sicher nicht. Die längeren Recherchen zur Bewirtschaftung haben mir vor allem dazu gedient, die Ursachen meiner anglerischen Mißerfolge besser einschätzen zu können. Das Ergebnis ist ernüchternd: Mit jedem Jahr der Erkenntnis wurde ich als Angler unfähiger, und – vielleicht zum Selbstschutz – verallgemeinere ich dies: Es ist ein Phänomen, wie ineffizient unsere Methoden zum größten Teil sind, trotz so langer „kultureller“ Entwicklung der Angelfischerei. Ich würde fast sagen, der größte Teil unserer Köder, Methoden und Erkenntnisse beruhen auf „angelkulturellen“ Mythen, und sind gefällig, weil es noch genügend dumme Fische - vielleicht aus schlechten Aufzuchten - gibt, die darauf hereinfallen. Aber was wenn es die dummen Fische nicht mehr gibt? Wenn die „naturnahe Bewirtschaftung“, also unter anderem die Fortpflanzung des am besten im Gewässer überlebenden Fisches, vielleicht auch zur „Zucht“ von Fischen führt, die gegenüber herkömlichen anglerischen Fangmethoden resistent sind. Den nur der überlebt als kräftiger Laichfisch, der nicht auf die 100 Wobbler, die in seinem Leben über ihn hinweggezogen werden, hereinfällt? Ich hoffe fast, das ist so: Genau diese Schwierigkeiten und Geheimnisse lassen uns forschen und experimentieren, und es wäre ja fatal, würden wir „den“ Köder finden, mit dem wir in kürze alle Fische aufs Kreuz legten. Schnell wäre unsere Leidenschaft langweilig und ohne Reiz, unsere Fischbestände im Eimer und unsere Geräteindustrie pleite. Daraus ergibt sich eigentlich das –zumindest für mich - ideale Anglergewässer: Es muß das Potential und die Möglichkeit auf den Traumfisch bieten, aber auch unser ganzes „Können“ und unsere „Ausdauer“ fordern, denn nur durch diese Herausforderung wird jeder Fang zum wirklichen Erfolgserlebnis. Hier kommt uns die Fischereiwirtschaft vom Ruhrverband und Markus Kühlmann sehr entgegen, konfrontieren uns aber am Ende mit der ernüchternden Gewissheit, daß es fast alleine an uns liegt, ob wir fangen oder nicht. Aber nicht ganz: Der erste Schluck „Single Malt“ gehört dem See, daß tut dem Trinkwasser gut und stimmt die Fischgötter milde :mrgreen:
    [hr]
    Um das Thema konsumierbar zu halten, und auch den Arbeitseinsatz überschaubar, konnten viele Themen nur angeschnitten werden oder wurden nur sehr vereinfacht dargestellt; dies möge man mir bitte verzeihen. Im Optimalfall bietet dieses Manko Raum für Kritik und Diskussion – dazu ist ein Forum da.


    Zu guter letzt gilt natürlich Markus Kühlmann mein Dank, für seine Arbeit und für die geduldige Beantwortung von neugierigen und spitzfindigen e-mails, und die angenehmen Gespräche. Und natürlich Andreas & Co und den Boardies, die mich motiviert haben, dieses Stück meines anglerischen Orientierungstrips in Worten zu strukturieren.


    Heinz - Jörg

  • Hi Heinz - Jörg,


    wow, das ist mal ein gelungenes Werk! Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben die Zusammenhänge von Bewirtschaftung, Besatzpolitik, Hege, Pflege und auch unsere Rolle als Angler in diesem ganzen Darzustellen und ich finde es hat sich mehr als gelohnt. Eigentlich wäre das ganze Druckreif und ich bin mir sicher, die eine oder andere Zeitung hätte sich drum gerissen. Um so mehr freue ich mich, dass du es fürs Forum in dieser Form veröffentlicht hast.


    Hut ab, der erste Schluck geht an den See, der zweite an den Heinz Jörg! Danke für die Mühe, bis zum Gigantentreffen,


    Gruss Felix